Von der Zweitplatzierung verführt!

Als strikter Gegner von Einkaufszetteln hat man es schwer im Supermarkt. Zu groß die Verlockung, zu geschickt die Supermärkte. Es wurde schon viel über „Bückware“ (billige Produkte stehen unten) und die Produkte in der „Quengelzone“ (Süße Verlockungen im Kassenbereich) geschrieben, doch das ist nur die Spitze des Manipulationseisbergs. Hier ein Bericht von meinem letzten Besuch im Supermarkt.

Mein Kühlschrank schaut mich fragend an – er langweilt sich, ist nahezu arbeitslos. Dass man was ändern muss, ist uns beiden bewusst. Also packe ich mein Leergut ein und mache mich auf den Weg zum Supermarkt.

Trend Nr. 1: Gratis Einkaufskörbe

Erfreut bin ich nicht, als ich die Menschenmassen sehe. Und dann fehlt auch noch der obligatorische Euro für den Einkaufswagen. Sofort fällt mein Blick auf die praktischen Einkaufskörbe mit Rädern – ohne Pfandeuro. Und schon bin ich in die erste Falle getappt. Diese Einkaufskörbe zum Ziehen sind keine Nettigkeit – sie erhöhen schlicht die Wahrscheinlichkeit, dass ich mehr kaufe, als ich mit meinen Händen tragen könnte.

Trend Nr. 2: Produkte von anderen separieren (Aufsteller in der Nähe der Kategorie) um die Besonderheit des Angebotes zu unterstreichen

„Brot“ ist mein erster Gedanke und schon erblicke ich einen Brotkorb in Wochenmarktoptik. Er steht etwas abseits vom Brotregal, fast wie zufällig. Doch im Supermarkt gibt es keine Zufälle. Mit voller Absicht steht dieser Brotkorb dort, wo er steht. Er trennt sich ganz klar vom eigentlichen Brotregal ab. Dies soll die Unterscheidung verdeutlichen: im Brotregal finden sich die Brotsorten der bekannten Großbäckereien, im Brotkorb die scheinbar regionalen, frischen Brote. Deshalb ist auf der Verpackungsfolie der Brotkorbbrote auch keinerlei Kennzeichnung zu sehen, nicht einmal um welche Sorte Brot es sich handelt. Es sieht aus, als wäre das Brot frisch vom Bäcker um die Ecke, der kein Geld für aufwändige Verpackungsgestaltung hat.

Trend Nr. 3: Die Bio-Schneise

Weiter geht es den Gang entlang Richtung Tiefkühltruhe. Pizza geht immer. Da lauert schon die nächste Falle – diesmal kann ich sie aber spielend umgehen: Bio-Pizza. Gleich zwischen den frischen Käsespezialitäten und den Bio-Milchprodukten, fernab von den Analogkäsepizzen und dem Gouda in der 2 Kilo-Packung. Allgemein zieht sich eine unsichtbare Schneise durch den Frischebereich des Supermarktes: Die Bio- und Naturzone. An ihr können sich die Biofans entlang hangeln, ohne Gefahr zu laufen sich nicht zu bionähren. Gleichzeitig erhöht sich dadurch die Wahrnehmung des Supermarktes als Anbieter hoher Bioqualität.

Trend Nr. 4: Mehr zeigen heißt mehr verkaufen

Kaum erholt vom Bio-Wahn stapfe ich in die nächste Einkaufsfalle wie Prinz Philipp von England in Fettnäpfchen. Minisalamis wohin man blickt. Ein ganzer Korb voll. Von „Mediterran“ über „Naturell“ bis „Würzig Scharf“. Diesem Korb konnte ich gerade noch widerstehen. Ein paar Schritte weiter – schon wieder diese Minisalamis. Sind die denn überall? Ja! Insgesamt wird das gleiche Produkt in diesem Supermarkt an drei verschiedenen Positionen verkauft. Schlicht im Regal, als Aufsteller mitten im Gang und am Seitenrand eines Regals neben den anderen Salamis. Dieses Phänomen kennt man auch von anderen Marken, wie z.B. von einem bekannten Energy-Drink Hersteller. Dabei gilt es auch, in einzelnen Regalen die Marke möglichst prominent zu platzieren – z.B. indem mehrere Größen des gleichen Produktes angeboten werden – so wird die Sichtbarkeit der Marke im Shop erhöht. Das Phänomen ist bekannt: einmal kann man der Versuchung widerstehen, vielleicht auch zweimal – aber wie sieht es beim dritten Mal aus?

Für Wissbegierige hier noch weitere Fallen und Trends im Supermarkt

Regionalbezug: Manche Supermärkte setzen verstärkt auf den Regionalbezug. Dort hängen beispielsweise große Bilder der einheimischen Sehenswürdigkeiten. Dies suggeriert Nähe zum Kunden und zur Region, was einhergeht mit Identifikation und frischen Produkten. Das übergeordnete Motiv ist jedoch „Sicherheit“ – in einer globalisierten, intransparenten Welt mit immer neuen Lebensmittelskandalen sind es die Bauern von nebenan, denen man das Vertrauen schenkt.

Verpackung: Grundsätzlich gab es früher nur zwei Möglichkeiten – entweder die Wurst frisch vom Metzger oder die verpackte Wurst aus der Kühltheke. Seit einigen Jahren gibt es auch die Zwischenform – frisch verpackte Wurst in der Kühltheke. Darauf wird explizit mit „Frischeaufklebern“ hingewiesen, die Originalität der Produkte wird durch die Namenswahl unterstrichen. Die Wurst heißt nicht mehr „Mailänder Salami“ sondern „Salami Milano“ – und schon hat der Konsument seinen letzten Italienurlaub im Sinn. Ob die Wurst nun wirklich frisch ist, kann der Lebensmittelchemiker ihres Vertrauens beantworten.

Leergut: Vermutlich ist es in manchen Supermärkten eher Zufall als Kalkulation, dass die Leergutannahme in den äußeren Ecken des Supermarktes zu finden ist. Für den Supermarkt wird dadurch jedenfalls die Chance erhöht, dass der Kunde auf dem Weg von der Leergutannahme bis zur Kasse noch ein Produkt entdeckt, dem er nicht widerstehen kann.

Mehr zum Trend „Sichtbarkeit erhöhen“: Warum ist es eigentlich so wichtig, die Sichtbarkeit zu erhöhen? Normalerweise geht man davon aus, dass der Shopper mit einem festen Plan einkaufen geht – ist die Einkaufsliste nicht schriftlich festgehalten, so ist sie zumindest im Kopf abgespeichert. Doch auf den Einkaufslisten stehen meist Kategoriebezeichnungen („Brot, Milch, Butter“) aber keine konkreten Markennamen. Geht der Konsument mit dieser Einkaufsliste in den Laden, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass er jene Marken auswählt, die am dominantesten auftreten. Zudem bleibt – wie oben erwähnt – festzuhalten, dass es schwieriger ist einem Reiz zwei- oder gar dreimal zu widerstehen als nur einmal.